Sonntagsgedanken

Altersweisheit

Mit ihren Sonntagsgedanken geben uns Menschen aus dem haupt- oder ehrenamltichen Verkündigungsdienst im Dekanat Vogelsberg jede Woche einen Impuls mit ins Wochenende. Heute: Viola Euler, Prädikantin aus Homberg.

12.07.2023 ts Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback

Kürzlich wurde ich 60, Zeit also, Bilanz zu ziehen. Was habe ich erreicht? Meine Karriere, mein Haus, mein Boot, mein Auto? Da gehts´s schon los, außer einem Kleinwagen habe ich nichts davon vorzuweisen.

Laut Bibel währt das Leben 70 Jahr und wenn´s hoch kommt, 80.

Ich bin Optimistin, aber das Glas ist eindeutig nicht mehr halbvoll!

In meinem Heimatdorf gab es früher (als ich jung war) eine Sitzordnung in der Kirche. Vorne links beim Altar saßen die Konfirmanden, im Blickfeld des Pfarrers, ich erinnere mich gut.

Rechts vorne saßen die ledigen jungen Frauen. Dahinter die Verheirateten. Ob es eine Bank für Geschiedene gab, weiß ich nicht, da war ich bereits weggezogen.  

Ganz hinten saßen die alten Frauen, ich befürchte, so ab 65.

Gedanklich sitze ich nun auf einer der hinteren Bänke und schaue auf die jungen Menschen vor mir, die mitten im Leben stehen, wie meine Töchter, oder ganz vorne die Konfirmanden, die ihr Leben  noch vor sich haben, wie meine Enkelin.

Erstens merke ich, dass ich gar nicht mehr vorne sitzen möchte und ganz zufrieden bin auf einer der letzten Bänke. Vielleicht habe ich noch 2 oder 3 Bänke, die ich weiter rücken kann,  vielleicht nicht, das weiß nur Einer.

Zweitens geht mir durch den Kopf: Wie wird die Welt aussehen, wenn ihr da vorne 60 seid, in 20, 30 oder 40 Jahren? Welche Welt hinterlassen wir auf den hinteren Bänken euch jungen Leuten? Mit dem Ergebnis bin ich nicht zufrieden, das hätte ich gern besser gemacht!

Und drittens: wenn in meinem Leben was richtig schiefging, dann meist, weil ich etwas unbedingt durchsetzen wollte. Hätte ich mehr auf meinen Konfirmationsspruch achten sollen? Der lautet: Befiehl dem Herrn deine Wege, er wird’s wohlmachen!

Seine Idee für meinen Tag war sicher immer besser als meine.

Für die letzten Bänke in meinem Leben will ich versuchen, Gott die Planung für mein Leben zu überlassen. Er wird’s wohlmachen! Ich bin schon gespannt, was er vor hat.