Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          Propsteitag 2025 in Lich bringt Kirche und Diakonie ins Gespräch

          „Einfach anfangen – einfach Mut haben“

          Foto: P. LuftEine Frau interviewt eine Gruppe von MenschenCornelia Coenen-Marx führt mit Mikrofon durch die Reihen: Ein lockerer, zugleich tiefgehender Start ins Thema „sorgende Gemeinschaften“ und ein Kennenlernen mit biografischem Bezug.

          Wie können Kirche und Diakonie vor Ort gemeinsam wirken – besonders im ländlichen Raum? Welche Netzwerke bestehen bereits, und was braucht es, um neue Verbindungen zu stärken? Unter dem Motto „Regionale Netzwerke stärken – Kirche und Regionale Diakonie“ hatte die Propstei Oberhessen am Mittwoch zum Propsteitag nach Lich eingeladen – mit Impulsen, Austausch und viel Raum für Begegnung.

          Von Patricia Luft

           

          Den Auftakt bildete ein gemeinsamer Beginn in der Marienstiftskirche Lich. Dr. Anke Spory, Pröpstin für Oberhessen, eröffnete den Tag mit einem herzlichen Dank an alle Beteiligten – insbesondere an die gastgebende Kirchengemeinde Lich – und spannte in ihrer Begrüßung den thematischen Bogen des Tages: Was muss geschehen, damit wir heute Abend sagen können: „Das hat sich gelohnt?“

          „Vielleicht, weil man Kolleg:innen getroffen hat. Vielleicht, weil es Impulse zur gemeinwesenorientierten Arbeit gab, die auf eine gute Spur bringen“, so Spory. Ziel des Tages sei es, sich als Kirche und Diakonie gegenseitig besser kennenzulernen – vor Ort, mit Gesichtern, als Menschen, die für Themen stehen. Als Symbol für dieses gemeinsame „Boden bereiten“ lagen Samenkugeln auf den Kirchenbänken: ein Zeichen für das, was wachsen soll.

          Die Theologin leitet seit September 2023 die Propstei Oberhessen – eine von fünf Propsteien in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Sie umfasst fünf Dekanate mit über 300 Kirchengemeinden in den Landkreisen Gießen, Wetterau und Vogelsberg. Hier leben rund 335.000 evangelische Christ:innen, begleitet von über 280 Pfarrer:innen. Die Kirche ist in dieser Region tief im sozialen und gemeinschaftlichen Leben verwurzelt – auf dem Land ebenso wie in der Stadt. Genau dort, wo Kirche und Diakonie oft am unmittelbarsten gebraucht werden.

          Einen nachdenklich-bewegenden Impuls gab die Theologin, Publizistin und langjährige EKD-Sozialreferentin Cornelia Coenen-Marx (Agentur „Seele und Sorge“). Zwischen Kirchenbänken und Begegnungsorten, zwischen Betten und Tischen zeichnete sie ein facettenreiches Bild von Diakonie als gelebter Sorge – für andere und füreinander.

          In einer bewegten Kennenlernrunde standen die Teilnehmenden im Kirchengang aufgereiht: Wie lange bist du schon auf deiner aktuellen Arbeitsstelle? Von „11 Tagen“ bis „36 Jahre“ war alles dabei. „Wofür brennst du? Was ist dein Thema?“ – daraus entwickelten sich Gespräche, Beziehungen, Ideen.

          „Diakonie ist auch das, was zwischen uns geschieht“, so Coenen-Marx. Sie sprach über sorgende Gemeinschaften, neue Wohnformen, Nachbarschaftsnetzwerke – und über die Bedeutung von Begegnungsorten, die niedrigschwellig und offen für alle sind. „Vielfalt tut gut“, betonte sie, und: „Wir schaffen gute Orte, wenn wir uns auf das Wesentliche besinnen: Lebensmittel, Lebenssinn und Lebensbegleitung sein.“

          Einen tiefen Einblick in ihre tägliche Arbeit gaben die Regionale Diakonie Gießen und die Regionale Diakonie Oberhessen. Bereichsleitungen aus Gießen stellten ihre breit gefächerten Arbeitsfelder vor – von der Tafel über Wohnungslosenhilfe, Straffälligenhilfe, Suchthilfe, Flüchtlings- und Sozialberatung, Frauenberatung, Seniorenarbeit, Jugendhäuser bis zum Familienzentrum. Besonders deutlich wurde: Die Angebote sind wichtig, vielfältig – und oft überlastet.

          Die Wartelisten sind lang, die Ressourcen knapp – sowohl personell als auch materiell. Allein an den drei Tafeln in Gießen, Grünberg und Hungen werden rund 5.200 Menschen versorgt, darunter 1.700 Kinder. Und trotzdem versuchen die Mitarbeitenden, mit Akutsprechstunden für möglichst viele Menschen da zu sein.

          „Multiple Problemlagen nehmen deutlich zu“, wurde betont. Die Diakonie steht dabei oft vor der Frage: Was ist jetzt gerade das dringendste Problem – Sucht? Armut? Wohnungslosigkeit? Psychische Erkrankung? Christoph Balasch von der Regionalen Diakonie Gießen richtete einen Appell an die Kirche: „Rufen Sie uns an, wenn Sie Menschen mit Unterstützungsbedarf in Ihren Gemeinden sehen. Sie sind nah dran – wir können gemeinsam helfen.“ Und weiter: „Wir sind gemeinsam gefragt, die Gesellschaft zusammenzuhalten.“

          Auch die Frage „Was wünscht sich die Diakonie von Kirche?“ wurde offen diskutiert. Sigrid Unglaub, Leiterin der Regionalen Diakonie Gießen, machte deutlich: „In der täglichen Arbeit bleibt für spirituelle Elemente manchmal wenig Raum – und genau da kann Kirche stärkend zur Seite stehen.“ Sozialarbeiter Konstantin Potthoff ergänzte, wie viel Potenzial in der Verbindung liegt: Viele wohnungslose Menschen seien gläubig – in Gießen etwa gibt es Trauergottesdienste für verstorbene wohnungslose Menschen, die immer sehr gut besucht seien.

          Auch der ländliche Raum wurde nicht ausgeklammert. Barbara Lang, Dekanin im Dekanat Gießener Land, sagte klar: „Auch auf den Dörfern gibt es viel Armut, Einsamkeit und Not. Wir müssen die Augen noch mehr öffnen, uns vernetzen und informieren.“ Besonders sensibel sei hier das Thema Scham, merkte eine Teilnehmerin an: Wer im Dorf ein Beratungsbüro aufsucht, wird womöglich gesehen – das hemmt viele, Hilfe zu suchen. „Kirche hat Räume – aber wir müssen sie so gestalten, dass Menschen sich dort sicher fühlen.“

          Auch die Regionale Diakonie Oberhessen stellte ihre Angebote für die Landkreise Wetterau und Vogelsberg vor: Teilhabezentren, Wohnungslosenhilfe, Straffälligenhilfe, Beratung für Schwangere, Arbeitsintegration, Schuldnerberatung, Paar- und Familienberatung, Erziehungsberatung, Jugendhilfe, Antidiskriminierungsberatung, Kindertagespflege – die Liste ist lang. Doch auch hier gilt: Viele Menschen wissen zu wenig über diese Angebote oder sind so belastet, dass sie sich keine Hilfe mehr organisieren können. Kirche und Diakonie müssen deshalb enger zusammenrücken – und gemeinsam noch sichtbarer und ansprechbarer werden.

          Zum Abschluss bedankte sich Pröpstin Dr. Anke Spory bei allen, die zum Gelingen beigetragen hatten: Pfarrer Lutz Neumeier (Kirchengemeinde Lich), Dr. Dorette Seibert (Dekanin im Dekanat Vogelsberg und Teil des Vorbereitungsteams), Sigrid Unglaub (Leiterin Regionale Diakonie Gießen) und Christoff Jung (Leiter Regionale Diakonie Oberhessen). Spory griff das Bild vom „Acker“ wieder auf: „Manches fällt auf felsigen Boden, manches geht nicht auf – aber manches bringt Frucht.“

          Tobias Lauer, Geschäftsführer der Regionalen Diakonie Hessen-Nassau (RDHN), formulierte es zum Schluss so: „Sehen wir diesen Tag als Startschuss für gute Zusammenarbeit. Hören wir zu, öffnen wir unser Herz – und vor allem: Haben wir einfach Mut. Reden wir mit den Menschen. Fangen wir an.“

          Die Regionale Diakonie Hessen-Nassau ist eine 2021 gegründete gemeinnützige GmbH unter dem Dach der EKHN. Sie vereint alle sozialen Dienste in 17 Regionen mit über 200 Standorten – von der Migrationsberatung über Wohnungslosenhilfe bis zu Schwangerenberatung und Tafeln. Rund 130.000 Menschen erhalten jährlich Hilfe, getragen von rund 1.500 Mitarbeitenden und 5.000 Ehrenamtlichen. Lauer betonte: „Unsere Arbeit ist das soziale Rückgrat – wir verstehen uns als Bindeglied für eine funktionierende Gesellschaft. Der Kern bleibt die gelebte Nächstenliebe.“

          Diese enge Verbindung zwischen Kirche und Diakonie wurde beim Propsteitag spürbar – und ist Ausdruck der neuen Struktur: Seit 2023 ist die RDHN organisatorisch Teil der EKHN. Damit soll nicht nur die Zusammenarbeit effizienter werden, sondern auch das soziale Engagement der Kirche als integraler Bestandteil kirchlichen Lebens sichtbarer werden.

          Der Propsteitag endete mit einer gemeinsamen Andacht in der Marienstiftskirche, musikalisch begleitet von den Kirchenmusikerinnen Daniela Werner (Gießener Land), Christine Geitl (Vogelsberg) und Propsteikantorin Marina Sagorski (Oberhessen). Der Tag markiert den Startpunkt – die Gespräche und Impulse werden nun aktiv weiterverfolgt. Die Samenkugeln stehen symbolisch für das, was nun wachsen kann. Als Kirche und Diakonie sollen die begonnenen Gespräche fortgesetzt, neue Kooperationen angestoßen und gemeinsam konkrete Wege für die Region entwickelt werden. Denn gerade angesichts schrumpfender Ressourcen braucht es solche neuen Formen der Zusammenarbeit – mutig, lokal verankert und gemeinsam getragen.

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