Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          Tagesandacht in Zeiten wie diesen

          Einer links und einer rechts

          Man sieht sie oft so zusammengestellt wie an der Empore in der Meicheser Kirche: Christus in der Mitte, flankiert von Petrus zu seiner Rechten und Paulus zu seiner Linken. Die beiden „Apostelfürsten“ werden seit dem 3. Jahrhundert gemeinsam am 29. Juni verehrt. In Rom fing man damit an, wo beide während der Christenverfolgung am selben Tag das Martyrium erlitten haben sollen.

          Inzwischen ist Peter-und-Paul wohl das bekannteste aller Apostelfeste der Christenheit. Auch wir heiligenskeptischen Evangelen haben für diesen Tag ausgewählte Gesangbuchlieder und Bibeltexte in unserem Kalender – zum Beispiel das zweite Kapitel des Briefs an die Galater.

          Darin erzählt Paulus von der ihnen beiden anvertrauten Frohen Botschaft für alle Menschen. Und er erzählt auch von ihrer unterschiedlichen Mission: Petrus wirkt unter den Juden, Paulus macht sich auf zu den Heiden – Hand drauf! (Galater 2,1-10)

          Das erinnert mich an eine Geschichte aus dem Alten Testament: „Da sprach Abram zu Lot: Es soll kein Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder. Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken.“ (1. Mose 13,8-9)

          Gemeinsame Basis, getrennte Wege – auch Petrus und Paulus ticken erstmal so: Auf verschiedene Weise dienten beide Apostel der einen Kirche. Aber der Zank lässt dann doch nicht lange auf sich warten, denn „Juden“ und „Heiden“ leben doch als „Christen“ in einer Gemeinde zusammen, und das ist nicht immer leicht zu managen. „Heuchelei“ wirft Paulus dem Petrus vor, als sie sich einmal in Antiochia wiederbegegnen. (Galater 2,11-14)

          Streit und Einigkeit – und dann wieder neuer Streit, das gehört offenbar zum Christentum von Anfang an dazu. Man könnte auch sagen: Unseren christlichen Glauben gibt es nur in gelebter Vielfalt, ob uns das nun passt oder nicht.

          In der Meicheser Kirche wird das manchmal ganz deutlich – aber nur für den, der oben auf der Kanzel steht und predigt: Von da aus blickt man nämlich genau auf die Darstellungen von Christus mit seinen beiden wichtigsten Aposteln, die dem einen Glauben auf so unterschiedlichen Wegen gedient haben.

          Aber genaugenommen sieht man von der Meicheser Kanzel aus gar keine Dreiergruppe. Denn der Deckenleuchter schiebt sich da so ins Blickfeld, dass Christus hinter dem hellen Licht der Lampe verschwindet. Allein die zwei Apostelfürsten sind dann noch zu sehen, einer zur Rechten und einer zur Linken. Und dann sieht man an beiden Seiten weiter die Empore entlang all die anderen Heiligen, die dort mit einem Gemälde geehrt wurden. Nur Christus selbst sieht man von der Kanzel aus nicht.

          Wer in der Meicheser Kirche predigt und so den christlichen Glauben bezeugt, der kann also die eine Wahrheit, Jesus Christus nicht sehen. Wer bei uns in Meiches predigt, der sieht in den verschiedenen Gemälden nur die verschiedenen Wege, die Christen vor uns gegangen sind – mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihren Widersprüchen und Verirrungen, mit all ihrer Herrlichkeit. Und wer hier predigt, der spricht zu einer Gemeinde aus Christinnen und Christen, die eben auch auf ihren ganz verschiedenen christlichen Wegen unterwegs sind. Das ist kein modernes Multikulti, sondern ganz biblisch.

           

          Pfarrer Christian Tröger

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