Evangelisches Dekanat Vogelsberg

Angebote und Themen

Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote des Dekanats Vogelsberg zu Ihnen passen. Wir sind jederzeit offen für Ihre Anregungen. Nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf.

          AngeboteÜbersicht
          Menümobile menu

          Gedanken zum Sonntag / Auf ein Wort von Pfarrer Christian Tröger

          Die Jakobsmacke

          Pfarrer Christian Tröger auf der Dirlammer Kirchenempore

          Mein Onkel sammelt Briefmarken. Als er mir mal erklärte, was er da eigentlich genau sammelt, fand ich eines wirklich faszinierend: Am Wertvollsten sind die Abweichungen – Fehldrucke, Farbabweichungen, kleine Fehler im Druckbild der Marke… all die Macken, die dann in den Folgedrucken korrigiert wurden und somit selten sind.

          Der Funke zum Briefmarkensammeln ist bei mir damals zwar nicht übergesprungen. Aber dieser Gedanke ist mir doch hängengeblieben: Es sind die Besonderheiten, die uns wertvoll für andere machen, manchmal auch gerade unsere Macken.

          Daran musste ich denken, als ich zuletzt in der Dirlammer Kirche war und mir dort eine solche Macke aufgefallen ist. Ich war allein in der Kirche und schaute mir die Darstellungen der Apostel an der Empore an. Bei Jakobus dem Älteren blieb ich hängen – heute ist sein Gedenktag.

          In der Dirlammer Kirche sieht man Jakobus den Älteren mit Pilgerstab und Jakobsmuschel am Hut. Weil ich als Student einmal den Jakobsweg gegangen bin, habe ich seitdem irgendwie eine besondere Beziehung zu diesem Apostel, auch wenn ich’s ansonsten nicht übertreibe mit der Heiligenverehrung.

          Wo ein Jakobus „der Ältere“ abgebildet ist, da kann Jakobus „der Jüngere“ nicht weit sein. So auch in der Dirlammer Kirche: Beide Jakobusse sind an der Empore nebeneinander abgebildet, jeweils in einem eigenen Gemälde. Darunter beidesmal die gleiche Bildunterschrift „St. Jakobus“ mit dem kleinen Unterscheidungsmerkmal „d.Ä.“ (der Ältere) bzw. „d.J.“ (der Jüngere).

          Alles schön und gut, wäre da nicht die kleine Macke, von der ich erzählen will: Die Bildunterschriften sind vertauscht – oder eben die Bilder selbst. Unter dem Pilger-Jakobus steht „d.J.“, obwohl er doch eigentlich „der Ältere“ ist, und unter dem eigentlich „Jüngeren“ liest man „d.Ä.“

          Offenbar eine Verwechslung, leicht zu übersehen. Hat da einer bei der letzten Innenrenovierung nicht aufgepasst und die Gemälde falschherum wiedereingesetzt? Oder gibt’s diese Macke vielleicht schon von Anfang an, also seitdem die Bilder wohl im 18. Jahrhundert gestiftet und in der Dirlammer Kirche angebracht worden sind? Das könnte sein, schließlich ist Jakobus der Ältere in seinem Gemälde deutlich jünger dargestellt als Jakobus der Jüngere, den man als alten Mann sieht.

          Martin Luther hätte wohl seine Freude an so einer Verwechslung, hatte er doch für den Jakobs-Kult in Spanien nur Spott übrig: „Wer weiß, wen sie dort begraben haben? Jakobus sicher nicht. Vielleicht liegt dort ein toter Hund oder ein totes Pferd im Grab. Bleibt zu Hause!“ Wenn der alte Luther wüsste, dass man nun auch schon „zu Hause“ in Dirlammen den Jakobus vertauscht hat… Aber zumindest doch nicht mit einem Hund, sondern eben mit einem anderen Jakobus, über den wir kaum etwas wissen, außer dass es ihn gab.

          Der biblische Namensvetter der beiden Jakobusse war ja ein echtes Schlitzohr: Jakob aus dem Alten Testament, der mit List seinem älteren Bruder Esau und dann auch seinem Vater Isaak den Erstgeburtssegen abluchst (1. Mose 25+27). Verwechslung von Älterem und Jüngerem – wann auch immer das in Dirlammen passiert ist, es gibt eine schöne Jakobstradition aus der Bibel dazu.

          Was soll man nun machen mit so einer Macke – die beiden Jakobusse austauschen, damit die Bildunterschriften wieder passen? Ich denke nicht. Es gibt so vieles in unseren Kirchengebäuden, was zuerst dran wäre in Ordnung gebracht zu werden… Was die Dirlammer Jakobsmacke angeht, halte ich’s lieber mit der Briefmarkensammlung meines Onkels: Gerade die Macken machen interessant und liebenswert, was sonst in einer Reihe mit so vielen anderen stünde.

          Pfarrer Christian Tröger, Gruppenpfarramt Vogelsberg

          Diese Seite:Download PDFDrucken

          to top