Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          Die Eifert-Orgel der evangelischen Kirche Freiensteinau

          Kleinod auf Anhöhe

          Foto: Rieger

          Auf einer Anhöhe oberhalb des ehemaligen Riedeselschen Amtshofes gelegen, zählt die evangelische Kirche Freiensteinau zu den beachtenswerten Denkmälern des Vogelsberges. Ihr Chorturm gilt als älteste erhaltene Bausubstanz des Ortes, datiert auf die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts, weist spätgotische Merkmale auf und wurde durch den Baumeister Johann Christian Starck harmonisch in die architektonische Gesamtanlage von 1721–1724 integriert.

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          Beim Betreten des geräumigen Kirchenschiffs durch die Hauptpforte fällt der Blick zunächst auf Altar, Kanzel und Chorraum sowie auf das farbenprächtig detailliert gestaltete Wappen der freiherrlichen Patronatsfamilie. Die schlichte Eleganz des hellen Inventars, der lichtdurchflutete, mit Deckenstuck geschmückte Raum laden zur Andacht ein.

          Auf der Empore gegenüber des Altars beeindruckt der Orgelprospekt, der aus den Jahren 1728/1729 stammt und auf Johann Georg Stertzing zurückgeht. Barocker Stilistik entsprungen, ist er in sieben Felder mit Mittel- und Seitentürmen eingeteilt. Seine intensiven Blautöne mit floralen Malereien erfreuen das betrachtende Auge, ebenso wie die prächtige, gold-glänzende, geschnitzte Ornamentik und die zierenden, rotfarbenen Rahmeneinfassungen. Passend zu dem von Stertzing gefertigten und bis in die Gegenwart erhaltenen Gehäuse konzipierte der im Vogelsbergischen Grebenau geborene und später in Stadtilm als „Großherzoglicher Sächsischer Hoforgelbauer“ ansässige Adam Eifert (1841–1910) im Jahr 1894 eine neue Orgel.

          Eifert schuf insgesamt über hundertvierzig Instrumente, von denen einige für seine Heimatregion, unter anderem für Freiensteinau, bestimmt waren. Er spezialisierte sich auf kleinere, in der Regel ein- bis zweimanualige Orgeln mit Pedal. Diese zeichnen sich durch eine besondere Bauweise der Registertraktur aus; so wird eine Art „Registerknopf“ mittels Stechermechanik heruntergedrückt, um ein Register freizuschalten. Eifert gestaltete seine Orgeln nach dem klangästhetischen Ideal der Romantik, das auf sonorer Grundtönigkeit basiert und barock-silbrig klingende Pfeifenreihen meidet. Sein für die evangelische Kirche Freiensteinau geschaffenes „Opus 83“, für das er mechanische Kegelladen wählte, kann somit als typisch bezeichnet werden: Mit zwei Manualen, Pedal und vierzehn Registern, darunter einschmeichelnde Streicherstimmen wie Salicional, Viola di Gamba und Violoncello, zählt es zu den mittelgroßen Instrumenten Eiferts.

          Der Orgelneubau entstand in zeitlicher Nähe zur Einführung des damals innovativen, im Jahr 1888 veröffentlichten „Choralbuch[s] für die evangelische Kirche im Großherzogtum Hessen“. Seit der Mediatisierung des Riedeselschen Ritterschaftsstaates (1806) gehörte Freiensteinau staats- und kirchenpolitisch zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt, welches dem Zeitgeist gemäß am Ende des 19. Jahrhunderts danach strebte, den Gemeindegesang zu erneuern. Ein gut erhaltenes, mit Bleistift-Markierungen versehenes Exemplar des oben genannten Choralbuchs befindet sich nach wie vor im Notenbestand der evangelischen Kirchengemeinde Freiensteinau und belegt dessen einstige rege Nutzung. Neue und alte Melodien sollten in rhythmisierter Form (wieder)eingeführt werden und zur musikalischen Vielfalt im Gottesdienst beitragen, zudem wurde ein fließendes, aber nicht schnelles Zeitmaß angestrebt. Auch Überlegungen zur Einübung und Vermittlung der ungewohnten Gesänge flossen mit ein, so sind beispielsweise die folgenden, fast aktuell anmutenden Anregungen in der „Vorrede“ zum Notenband zu lesen:

          „Die Einführung solcher Choräle, die der Gemeinde seither fremd waren, […] hat nur mit sorgfältiger Vorbereitung zu geschehen. Es ist die neue Melodie zuerst in der Schule mit den zur Leitung des Gesanges bestimmten Kindern und, wo ein solcher vorhanden ist, womöglich auch im Kirchenchore genau einzuüben, dann der Gemeinde im Gottesdienst ein oder mehrere Male vorzusingen und dann erst von der Gemeinde singen zu lassen. Dann wiederhole man die neu gelernte Melodie öfter, damit sie wirkliches Eigentum der Gemeinde werde.“

          Angemerkt sei, dass Schule und Kirche Ende des 19. Jahrhunderts noch eng miteinander verbunden und Schüler verpflichtet waren, im Gottesdienst regelmäßig gesanglich mitzuwirken. Mit drei bis maximal vier unbekannten Gesängen im Jahr, wobei zunächst „die Freude am frischen taktmäßigen Singen zu erwecken“ sei, sollte eine Gemeinde vertraut gemacht werden.

          Adam Eiferts Orgel „Opus 83“ leistete und leistet – früher wie heute – gewiss einen wertvollen Beitrag, Lust am Singen, am Musizieren neuer und alter Weisen, zu fördern. Ihre Klänge können Hoffnung schenken, dem Geist des Franziskus‘ von Assisi verbunden: „Schon ein ganz kleines Lied kann viel Dunkel erhellen.“

           

          Von Dekanatskantorin Dr. Diana Rieger

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