Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          Ein Gespräch mit Dekanin Dr. Dorette Seibert

          Über Weihnachten, Seelsorge in Coronazeiten und Botschaften der Hoffnung

          Foto: T. SchlittZuversichtlich, aber auch neugierig blickt Dekanin Dr. Dorette Seibert auf das diesjährige Weihnachtsfest.

          Welche Rolle muss die Kirche für die Menschen in dieser Advents- und Weihnachtszeit spielen, welche Bedeutung hat die Seelsorge in dieser Ausnahmezeit, wie sollte gefeiert werden? Darüber sprach Claudia Kempf vom Lauterbacher Anzeiger wir mit Dr. Dorette Seibert, der Dekanin des evangelischen Dekanates Vogelsberg.

          Von Claudia Kempf

          Eine Adventszeit ohne Weihnachtsmärkte, Gottesdienste ohne Weihnachtslieder und Menschen, die, wenn sie ans bevorstehende Weihnachtsfest denken, ins Grübeln geraten. Jedoch nicht, weil sie über passende Geschenke für die Lieben nachdenken oder darüber, ob es endlich mal eine weiße Weihnacht wird. In diesem Coronajahr  geht es um die Frage: Findet Weihnachten überhaupt statt? Wird es  Gottesdienste für alle geben, Krippenspiele, ein Essen an großer Tafel? Die Pandemie verunsichert, verhindert womöglich die gemeinsame Weihnacht. Das könnte eine wahrlich stille Nacht werden. Insbesondere auch für Alleinstehende, die  unter der Isolation schon seit Monaten leiden.

          Welche Rolle muss die Kirche für die Menschen in dieser Advents- und Weihnachtszeit  spielen, welche Bedeutung  hat die Seelsorge in dieser Ausnahmezeit, wie sollte gefeiert werden?   Darüber sprach Claudia Kempf vom Lauterbacher Anzeiger wir mit Dr. Dorette Seibert, der Dekanin des evangelischen Dekanates Vogelsberg.

          Frau Dr. Seibert: Wir erleben gerade sehr anstrengende Zeiten. Eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit – wie wir sie gewohnt sind – droht von der zweiten Corona-Infektionswelle überrollt und „weggespült“ zu werden. Welche Gefühle bereitet Ihnen das?

          Ehrlich gesagt, gemischte Gefühle. Dadurch; dass zahlreiche Traditionen und lieb gewordene Gewohnheiten in diesem Jahr nicht möglich sind, erwische ich mich durchaus dabei, dass ich manchmal ein bisschen unzufrieden und genervt bin. Wenn ich mich jedoch an das „allererste“, das biblische Weihnachten erinnere, muss ich mir eingestehen: Für die damals beteiligten Personen war es weder gemütlich, noch besinnlich. Trotzdem findet die Hoffnungsbotschaft des Weihnachtsfestes ihren Weg bis in unsere Gegenwart. Das macht mich zugleich zuversichtlich, aber auch neugierig und gespannt auf das diesjährige Weihnachtsfest.

          Brauchen die Menschen in diesen Zeiten mehr Kirche?

          Zunächst einmal ist meine Erfahrung, dass die Menschen hier im Vogelsberg sehr gut wissen, was sie brauchen, das muss ihnen niemand sagen.

          Wenn sich die Christinnen und Christen hier jedoch gemeinsam als Kirche verstehen und sich von der Weihnachtsbotschaft berühren und stärken lassen und Liebe, Frieden und Hoffnung in ihre Nachbarschaften und in unsere Welt tragen: Dann wäre „mehr Kirche“ unter den jetzigen Bedingungen sicher für viele Menschen hilfreich.

          Es gab in diesen Zeiten bereits einige findige Ideen, wie Kirche trotz Corona die Menschen erreicht. Gottesdienste wurden „gestreamt“, es gab Botschaften über YouTube... Hat man aber damit nicht eine wichtige Klientel der Kirchen – die älteren Menschen – ausgeschlossen? Sie sind vielfach allein und nicht computeraffin…

          Da sprechen Sie ein wirklich kniffliges Thema an – wobei viele ältere Menschen ganz hervorragend durch ihre Kinder und Enkel beim Umgang mit Computer, Smartphone oder Tablet unterstützt werden. Wenn ich mir die Anzahl der schweren Verläufe von Covid 19 und die Sterblichkeit gerade unter der älteren Bevölkerung anschaue, verstehe ich sowohl die Menschen aus dieser Bevölkerungsgruppe, als auch deren Angehörige, die bitten, von Besuchen außerhalb des engsten Familienkreises Abstand zu nehmen.

          Deshalb sind zahlreiche Pfarrerinnen und Pfarrer auch eher zurückhaltend in Bezug auf Seelsorgebesuche und nehmen eher digitalen, telefonischen oder brieflichen Kontakt zu ihren Gemeindegliedern auf. Der fehlende Gottesdienstbesuch kann eventuell durch Fernsehgottesdienste ersetzt werden, die an allen Adventssonntagen im Rundfunk übertragen werden. Wenn seelsorgerliche Begleitung gewünscht wird, dann sollte der erste Weg ein Anruf bei der Pfarrperson vor Ort sein. Im Gespräch können die Wünsche und Möglichkeiten miteinander abgeglichen und die weiteren Kontakte verabredet werden. Seelsorge ist grundsätzlich möglich.

           Welche Angebote kann/muss es gerade für die Alten geben? Die allein in ihren Wohnungen oder Heimzimmern sitzen?

          Die täglichen Andachten in den Tageszeitungen, Postkartenaktionen zu den großen kirchlichen Festen und Gottesdienste, an denen in einigen Heimen die Bewohnerinnen und Bewohner auf dem Balkon teilnehmen konnten, sind z.B. solche Angebote.  Wer allerdings einen persönlichen Kontakt zum Gemeindepfarrer wünscht, ist sicher gut beraten, entweder selbst oder über die Angehörigen Kontakte mit den Ortspfarrern aufzunehmen. Im Gespräch kann man gemeinsam überlegen, welche Kontaktwege im Einzelfall beschritten werden können. Darüber hinaus kann ich nur den Impuls verstärken: Wenn wir gemeinsam Kirche sind, dann nehmen wir auch gemeinsam unsere alten und einsamen Menschen in den Blick. Wenn viele von uns nicht nur fragen: wie wird MEIN Weihnachten in diesem Jahr? Sondern auch: Wie wird UNSER Weihnachten? Und dabei z.B. die Menschen in ihrer Nachbarschaft mit im Blick haben, tut das sicher nicht nur den Alleinstehenden gut sondern unserer ganzen Gesellschaft.

          Wie kann auf längere Sicht die Seelsorge auf Abstand gelingen?

          Meines Erachtens ist es wichtig, dass wir aufmerksam und offen miteinander umgehen und Seelsorgewünsche, die uns zu Ohren kommen vertrauensvoll an die zuständigen Pfarrer kommunizieren. Auch die Nummer der Telefonseelsorge kann weitergegeben werden.

          Seelsorge beginnt aber auch im alltäglichen Umgang miteinander. In unseren Nachbarschaften ist in der Regel bekannt, wer alleine lebt. Was spricht dagegen, beim Gang durchs Dorf, oder beim Sonntagsspaziergang bei der alleinstehenden Nachbarin zu klingeln und ein kurzes Schwätzchen an der Haustür oder über den Gartenzaun zu halten?

          Geht in diesen Zeiten nicht auch der Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen verloren, weil kein Kindergottesdienst oder normaler Konfirmandenunterricht möglich ist?

          Die meisten Gemeinden haben einen Weg gefunden, um digital oder physisch mit der jüngeren Generation in Kontakt zu bleiben. Konfiunterricht findet als Präsenzunterricht statt (natürlich unter Berücksichtigung der Corona-Regeln) oder man ist über die Kon-App im Kontakt. Manche Konfigruppen sind online miteinander unterwegs. Was leider verloren geht, ist der unbeschwerte Umgang der Jugendlichen untereinander – aber das ist in der Kirche nicht anders als im Sportverein oder in der Musikschule. Auch dass derzeit keine Freizeiten stattfinden können, tut mir für die jungen Menschen von Herzen leid.

          Was Kindergottesdienste betrifft, ist es im Einzelfall etwas schwieriger – aber auch da gibt es zahlreiche Vorschläge und Ideen für Familiengottesdienste zu Hause, gestreamte Kindergottesdienste oder Kindergottesdienste „to go“. Diese Angebote werden von den jungen Familien gut angenommen, die ja auch in der Regel mit digitalen Medien vertraut sind.

          Weihnachten muss stattfinden, das müssen die Menschen spüren... So ähnlich hat es EKHN-Präsident Dr. Volker Jung in seinem Brief an die Kirchengemeinden jüngst formuliert. Wie soll Weihnachten im Vogelsberg stattfinden? Gibt es Ideen oder feste Vorgaben für die Gemeinden?

          Die Gemeinden sind derzeit sehr kreativ. Unter Berücksichtigung der geltenden Corona-Regeln feiern sie Gottesdienste auf vielfältige Weise in den Kirchen, Outdoor oder an ganz ungewöhnlichen Orten. Zahlreiche Gottesdienste werden auch gestreamt – da kann man gemütlich vom heimischen Sofa aus mitfeiern. Es gibt auch Vorlagen für das Gottesdienstfeiern zu Hause im Kreise der Familie, digitale Krippenspiele, Gottesdienstübertragungen im Fernsehen und Rundfunk. Auch wenn die persönlichen Begegnungen Corona-bedingt eingeschränkt werden müssen, können wir dieses Jahr tatsächlich „mal ganz anders“ Weihnachten feiern. Besonders schön finde ich z.B., dass es in diesem Jahr eine explizit ökumenische Weihnachtsaktion „Fürchtete euch nicht - Gott bei euch“ gibt.  Weihnachten im Vogelsberg wird auf ganz unterschiedliche Weise stattfinden. Und hoffentlich wird in dem, was wir feiern und tun etwas spürbar von Gottes Liebe, die allen Menschen gilt.

          Welche Botschaft ist Ihrer Meinung nach die wichtigste in diesen Zeiten für die Menschen?

          An Weihnachten feiern wir, dass Gott Mensch wird. Die Lichter, die wir anzünden, sind ein Symbol dafür, dass die Liebe Gottes Licht ins Dunkel unseres Lebens bringt und dass wir im Licht dieser Liebe in unserem Mitmenschen den Bruder/die Schwester erkennen können.

          In der katholischen Übersetzung der Weihnachtsgeschichte singen die Engel: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind.“ Ich nehme im Moment viel Missgunst, Hass und Egoismus wahr. Die Weihnachtsbotschaft löst in mir vor diesem Hintergrund eine große Sehnsucht aus: Sehnsucht nach Menschen guten Willens, die realistisch und doch hoffnungsvoll den Schwarzsehern entgegentreten, die Möglichkeiten und  Chancen zur Gestaltung unserer Kirche und unserer Gesellschaft erkennen und für einen respektvollen Umgang miteinander, für Frieden und Versöhnung eintreten.

          Heiligabend, an den Weihnachtsfeiertagen zieht es alljährlich viele Menschen in die Kirchen. Wie soll dem „Ansturm“ in diesem Jahr begegnet werden? Wie sollen die Gottesdienste aussehen – ohne Singen, ohne Krippenspiel…?

          Natürlich wäre es schön, wenn wir mit möglichst vielen Menschen gemeinsam in unseren wunderschönen Kirchen Gottesdienste feiern könnten. Das wird aber so, wie wir es gewohnt sind, nicht möglich sein. 

          Wir rechnen in diesem Jahr damit, dass zahlreiche Menschen – aus Sorge um die eigene Gesundheit aber auch die Gesundheit anderer  –  von zu Hause aus an Gottesdiensten teilnehmen oder dort Gottesdienste gestalten werden.

          Wer einen Gottesdienst vor Ort mitfeiern möchte, muss sich in den jeweiligen Gemeinden informieren. Fast überall ist zu den Gottesdiensten am Heiligen Abend eine persönliche Anmeldung erforderlich.

          Was die Gestaltung der Gottesdienste betrifft, kann ich nur sagen: Lassen Sie sich überraschen und erleben Sie in diesem Jahr Weihnachten anders, als Sie es bisher gewohnt waren. Die Gemeinden und ihre Pfarrerinnen und Pfarrer sind in diesem Jahr außergewöhnlich kreativ.

          Auch ohne Gemeindegesang werden die Gottesdienste musikalisch gestaltet werden. Krippenspiele wurden zum Teil vorher gefilmt und werden in die Gottesdienste eingespielt. Sie werden staunen!

           Gibt es einen Ideen-Pool für die Pfarrerinnen und Pfarrer und tauschen sie sich regelmäßig aus (Stichwort Videokonferenzen oder Dienstversammlungen mit persönlicher Anwesenheit)? Oder muss sich jeder selber etwas überlegen? Und was ist mit den Kolleginnen und Kollegen, die mit den neuen Medien und Kanälen nicht unbedingt etwas anfangen können?

          Die Landeskirche stellt einiges an Material, Fortbildungen und Ideen-Börsen zur Verfügung, und die Kollegen in den Nachbarschaften tauschen sich aus. Außerdem darf man die Pfarrer und die Gemeindeglieder nicht unterschätzen, da sind viele kreative Köpfe unterwegs.

          Sicher, es wird auch Gemeinden geben, in denen an Heiligabend und an den Feiertagen „traditionelle“ Gottesdienste in den Kirchen gefeiert werden, so, wie es unter Corona-Bedingungen eben möglich ist. Auch das ganz „normale“ wird von vielen Kirchenmitgliedern gesucht und geschätzt.

          Diejenigen, die dann vielleicht in „Ihrer“ Kirche keinen Platz finden, können dann auf Gottesdienstfeiern im Fernsehen oder im Rundfunk ausweichen und vielleicht ja sogar (wenn es die Abstandsregeln im Wohnzimmer und die zugelassene Personenzahl hergeben) den einsamen Nachbarn dazu einladen…

          Welche Pläne haben Sie ganz persönlich für Ihr Weihnachtsfest? Gibt es lieb gewonnene Traditionen, die Sie in diesen Zeiten garantiert nicht pflegen können?

          Ich bin gespannt auf die Weihnachtsgottesdienste, freue mich auf möglichst viele Spaziergänge, Zeit für Gespräche in der Familie und komme hoffentlich auch dazu, mal wieder ein Buch nicht nur seitenweise zu lesen. Da weder Freunde noch Familie über Weihnachten verreisen werden, habe ich mir außerdem vorgenommen, viel zu telefonieren ;) Wir haben in den vergangenen Jahren oft in der Großfamilie gefeiert. Das wird in diesem Jahr so leider nicht möglich sein…

           Was wünschen Sie den Menschen im Dekanat für die kommende Zeit? Ihre persönliche Botschaft…

          Ich wünsche uns allen, dass wir die Weihnachtsbotschaft nicht nur hören, sondern dass sie uns auch erreicht: Gott wurde Mensch, damit wir spüren, dass wir Gottes Kinder sind und dass wir zusammengehören.

          Möge das Weihnachtsfest unsere Liebe und unseren Mut wecken, diese Gemeinschaft zu leben und zu gestalten.

          Ich wünsche allen Menschen eine hoffnungsfrohe und gesegnete Advents- und Weihnachtszeit.

           

          (Dieser Beitrag erschien am 5.12.2020 im Lauterbacher Anzeiger und der Oberhessischen Zeitung.)

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