Tagesandacht in diesen Zeiten
Nein.
31.05.2020 ts Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Neulich an einem besonders mühseligen, undankbaren Arbeitstag fiel mir jene Karte wieder ein, auf der in Goldbuchstaben steht: „UM AUS SKAKESPEARES HAMLET AKT 4, SZENE 5, VERS 28 ZU ZITIEREN: ‚NEIN‘.“
Manchmal möchte ich einfach „NEIN.“ sagen. Es fällt mir schwer – wie so vielen. Da schimpfe ich eher stundenlang still vor mich hin – oder kriege Schnappatmung. Immer wieder habe ich diese Karte mal in der Hand. Ich kann mir damit ein bisschen Luft verschaffen. Ein goldenes „NEIN.“ mit Goldrand. Ein dramatisches, klassisches „NEIN.“ Ein humorvolles „NEIN.“, das doch aussieht, als wäre es in Stein gemeißelt: „NEIN.“
Oh ja!
In dieser Corona-Zeit ist nicht nur das Atmen wichtig, sondern vielleicht auch die Kunst, sich Luft zu machen. Um nicht zu ersticken an dem, was in dieser herausfordernden Zeit mich noch mehr als sonst an meine Grenzen bringt.
„NEIN.“ zu dem Druck, den wir uns gegenseitig machen. „NEIN.“ zum Ausspielen gegeneinander. „NEIN.“ zu der unrealistischen Erwartung, sich nun endlich perfekt auf die Krise eingestellt zu haben. Antworten zu haben. Pausenlos zu funktionieren. Überhaupt zu funktionieren. „NEIN.“ Wir sind alle nur Menschen.
Ein „NEIN.“ ist eine Zäsur. Es ist darin dem Gottesdienst verwandt, der Stille, dem therapeutischen Gespräch.
Viele haben schon gesagt, diese Krise sei eine gute Gelegenheit zur Veränderung, ja Verbesserung des Lebens. Neu herauszufinden, wie wir (miteinander) leben wollen. Was uns wichtig ist.
Diese Gelegenheit ist schnell verdrängt, je mehr der Alltag uns – und sei es auch im Corona-Modus – wieder überrollt.
Ich möchte mir Zeit nehmen fürs Nachdenken und Forschen nach Veränderung. Darum tut mir der Gedanke gut: Zu manchem könnte ich „NEIN.“ sagen.
Gott sei Dank für den Gottesdienst, die Stille, ein therapeutisches Gespräch und mein goldenes „NEIN.“
Dass Sie im Alltag zum Atemholen kommen, wünscht Ihnen herzlich
Ihre Luise Berroth
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